Medienmitteilung

20.09.2023 – Willisau

Den sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche aufarbeiten

Die drei nationalen kirchlichen Institutionen der Schweiz – SBK, RKZ und KOVOS – haben 2021 gemeinsam entschieden, die Geschichte des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und Erwachsenen durch katholische Kleriker, kirchliche Angestellte und Ordensangehörige in der Schweiz seit den 1950er Jahren von unabhängiger Seite von der Universität Zürich wissenschaftlich erforschen zu lassen.

Persönliches Stellungnahme von Pastoralraumleiter Andreas Wissmiller

Am 12. September hat die Universität Zürich die Ergebnisse des Pilotprojekts zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche veröffentlicht. Die Ergebnisse sind verheerend. Für eine Institution zu stehen, in welcher so viele Verbrechen begangen und die kriminellen Täter begünstigt wurden, fällt schwer und überfordert. Ich schäme mich für meine Kirche. Ich distanziere mich von der kirchlichen Kultur, die solches mitbegünstigt hat. Es macht auch mich sprachlos und zornig. So vieles ist von der Wurzel an zu hinterfragen: Macht in der Kirche, fehlende Gewaltenteilung, klerikale Männerbündelei, der Ausschluss der Frauen und Verheirateter von den Weihen, die Sexualmoral, das Priesterbild samt Zwangszölibat… Das System Kirche hat sich in vielem an die Wand gefahren und das Evangelium verraten. Ich schwanke zwischen totalem Pessimismus mit dieser Kirche und dem Willen, nicht zu resignieren.

 

Aber zuvorderst geht es nicht um die Kirche und ob sie sich erhalten kann. Zuallererst geht es um viele Menschen, die betroffen sind, vielleicht schon vor Jahrzehnten. Betroffene, die sich schämten, denen nicht geglaubt wurde, die woandershin verwiesen wurden. Die aus Angst geschwiegen haben. Die man ins Leere laufen liess. Die an Körper und Seele verletzt wurden, oft auf Dauer. Erlebnisse, Erlittenes, das vielleicht bis heute nachwirkt. Das sollte eigentlich im Mittelpunkt stehen. Und der Mut derer, sie sich gemeldet haben. Wieviel Stärke hat es oft dafür gebraucht! Dafür kann ich nur dankbar sein.

 

Ich bin dankbar für alles, was ans Licht kommt. Ich möchte ermutigen, dass Betroffene, auch aus unserer Region, die möglicherweise bisher nicht die Kraft hatten, ihr Erlebtes zu erzählen, Vertrauen fassen und ihre Geschichte jemandem anvertrauen.  Vielleicht finden Sie die Person Ihres Vertrauens bei einer unabhängigen Stelle wie der Kantonalen Opferberatungsstelle Luzern oder der Schweizer Opferberatungsstelle. Oder in Ihrem persönlichen Umfeld. Vielleicht möchten Sie sich einer Person aus unserem Pastoralraum anvertrauen, sei es bei der Kirchenverwaltung oder bei der Seelsorge.

 

Natürlich geht es wesentlich darum, dass die Kirche heute ihre Verantwortung wahrnimmt und irgendwann wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt. Aber darin geht es immer um konkrete Menschen, um Sie als Erwachsene, um Kinder und Jugendliche. Es geht darum, dass es keine weiteren traumatisierenden Grenzverletzungen und Verbrechen mehr gibt. Es geht darum, dass es ein aufrichtiges Interesse an den Lebensgeschichten früher Geschädigter gibt. Genugtuung, Anerkennung greifen als Begriffe oft zu kurz. Oder Gerechtigkeit. Wie sollte denn Gerechtigkeit hergestellt werden? Am Anfang muss ein echtes Interesse stehen. Dafür setze ich mich mit dem Pastoralraumteam und den Mitgliedern der Kirchenverwaltungen ein.  

 

Andreas Wissmiller, Pastoralraumleiter

Die Resultate des einjährigen Pilotprojekts (2022–2023) wurden am 12. September 2023 veröffentlicht. Die Zusammenarbeit mit dem historischen Seminar der Universität Zürich wird in einem Folgeprojekt 2024–2026 im Umfang von 1.5 Mio. Franken fortgesetzt. Zudem haben die drei kirchlichen Auftraggeberinnen weitere schweizweite Massnahmen beschlossen.


Es geht darum, dass die Kirche ihre Verantwortung gegenüber den Betroffenen und der gesamten Gesellschaft wahrnimmt und ihre Vergangenheit aufarbeitet. Zentrales Anliegen ist, den Missbrauch in den eigenen Reihen und dessen Ursachen noch entschiedener zu bekämpfen und weitere Opfer zu verhindern.

 

Bericht zum aktuellen Forschungsprojekt

Schlussbericht und Medienmitteilung Universität Zürich